Festivalseelsorge

Lebens- und Glaubenswelten auf Augenhöhe teilen

Ein Erfahrungsbericht über die Teilnahme am christlichen Metal-Festival Elements of Rock in Uster

Viktor Diethelm, Leiter Fachstelle OKJ

Eines vorweg: Ich verstehe alle, die mit Metal nichts anfangen können oder den gutturalen Gesang gar als Schreie aus der Hölle identifizieren. Um Musikgeschmack soll es aber hier nicht gehen, vielmehr steht hier die Tatsache im Zentrum, dass Metal auch im christlichen Kontext seinen Platz hat.

Meine Vorgeschichte

Gleichzeitig Ministrant sein und Metal-Fan war in meiner Jugend eine innere Zerreissprobe. Am Samstagabend zu «666 - The Number of the Best» von Iron Maiden euphorisch Luftgitarre spielen und Headbangen, bis die Nackenmuskeln schmerzen und am Sonntag als Ministrant in der Rolle des Zeremoniars 12 junge Ministranten anzuleiten war oft seltsam. Dass meine Religionslehrerin mich am liebsten mit Weihwasser besprengt hätte und wohl gleich noch einen Exorzismus bei mir durchführen wollte, tat seines dazu. Doch ich liebte beides: Die brachiale Musik, durch deren Emotionen ich angesprochen wurde und den Gottesdienst mit seiner Ruhe und Tiefe als Ausdrucksform des Glaubens. Englisch konnte ich kaum, sodass die Texte für mich belanglos waren. Mehr Mühe hatte ich mit der Ästhetik des Metals: all die antichristlichen Symbole auf den Coverbildern und Fanartikeln führten mir vor Augen, dass hier ein riesiger Graben besteht.

Als dann der Metal mit seinen verschiedenen Unter-Genres wie Death Metal, Black Metal usw. auf einmal begann unverständlich zu Grollen, war mir Anfangs diese Art zu viel des Guten. Der Sound war ja super, aber das Grollen erinnerte mich dann wieder an meine Religionslehrerin: «Lass Dich nicht vom Teufel in Versuchung führen!» Erst nach dem lesen einiger Texte merkte ich: «Okay, krasse Texte, aber schlimmer als die Bands, deren Lieder ich bis anhin gehört habe, sind sie auch nicht.» Nach einigen Konzertbesuchen hatte ich mich auch in diese Musikrichtungen eingewöhnt. Etwa so, wie bei dunklem Bier – das erste schmeckt nicht so toll, erst nach einigen Malen findet man den Geschmack daran und es schmeckt dann einfach nur köstlich.

Lange Zeit noch lebte ich in diesem Zwiespalt und hatte meine Musikvorliebe in den Bewerbungsschreiben als Katechet und kirchlicher Jugendarbeiter unterschlagen. Als ich einmal las, dass Abtprimas Notker Wolf gerne Rockmusik hört und AC/DC zu seinen Lieblings-Rockbands gehören, eröffnete dies mir eine neue Sichtweise, die mich auf die Suche nach Brücken zwischen Metal und meinem katholischen Glauben gehen liess.

Erstkontakt Metalchurch

2016 wurde ich erstmals aufmerksam auf Metalchurch, und letztes Jahr schaffte ich es dann endlich einmal zu Samuel Hug, dem Metal-Pfarrer, der doch tatsächlich Metal-Gottesdienste anbietet. Nach diesem Erlebnis war mir klar: «Da musst Du dranbleiben – das hat Potenzial.»

Allerdings muss ich zugestehen, dass es auch Momente gab, die mich irritierten, ja sogar «das geht aber gar nicht» in mir aufkam. Metal ist brachial, archaisch und gibt mir die Möglichkeit, Emotionen abzuführen, die das Leben in einem hervorrufen, spendet aber auch Energie und Mut, Dinge anzugehen. Den «lieben Jesus» – also jene «Jesus Bilder», welche den lieben Freund, der meine kleinen Sensibilitäten verständnisvoll streichelt und meine kleinen Schürfwunden salbt – mit diesem Sound zu verbinden, geht für mich bis heute nicht auf. Es findet sich auch keine Textzeile im Metal: «Der Schmetterling flügelt sanft über die Blumenwiese und kitzelt mit seinem Rüssel die Blüten» - das passt schlichtweg nicht zu einem Sound, der verzerrte Gitarren und growlende Stimmen mit schnellen Drums beinhaltet. Wohl ein Grund dafür, dass sich die Songschreiber in den Texten an hässlichen Zeilen stets überbieten wollen – man sollte das nicht zu ernst nehmen, aber auch nicht fördern.

Dem Jesus aber, der wie z. B. am Teich beim Schafstor dem Mann, der 38 Jahre krank war, auf sein Gejammer antwortete: «Steh auf, nimm deine Bahre und geh!» (Joh 5, 1-18), verschafft der Metal-Sound eine kraftvolle Präsenz.

Andere Elemente des Abends – ja sogar die Abendmahlsfeier – gestalteten die Verantwortlichen in einer Art, die deutlich aufzeigten: Hier gilt es nicht Brücken zu schlagen, hier bestehen Verbindungen zwischen Metal und christlichem Glauben, die es nur aufzuzeigen und zu bespielen gilt. Gewohnt an die friedliche und rücksichtsvolle Art der Metal-Fans kam hier noch die Selbstverständlichkeit über Gott, Jesus und die Bibel zu sprechen hinzu. Was mich sehr beeindruckte.

Elements of Rock

Mit dem reformierten Jugendarbeitskollegen der Ev.-ref. Kirchgemeinde Allschwil-Schönenbuch, Markus Bürki, und dem dort Zivildienstleistenden Piri hatte ich mich zum Besuch von EoR verabredet. Im Gegensatz zu Markus bin ich wohl eher ein Elvis Presley Rock‘n‘Roller. Uns verbindet nebst dem Musikgeschmack auch die Verbindungen zwischen christlichem Glauben und Metal.

Ich konnte als Familienvater nicht das gesamte Festival bestreiten, aber an die Konzerte am Freitag- und Samstagabend konnte ich gehen. Der Einlass und das Foyer waren wie bei anderen Konzerten, an denen ich war. Auch streckte mir niemand einen Flyer entgegen, der mich zu einem christlichen Zirkel einladen wollte. Nichts ergab den offensichtlichen Eindruck, dass es sich hier um ein christliches Metal-Festival handelt, was mich schon mal positiv stimmte. Bei genauerer Betrachtung der T-Shirts und der Bandnamen erkannte ich dann den kleinen Unterschied zu den Metal Konzerten, die ich sonst besuche.

Die Musik war ebenfalls in bester Metal-Manier, verschiedene Metal Genres waren zu hören, darunter auch Black-Metal, der eher ein destruktives Gefühl bei mir auslöst. Bei einer Band, die maskiert auftrat, war der Unterschied gar nicht mehr wahrnehmbar. Die hätten auch in ihren Texten Gott verachtende und Teufel glorifizierende Zeilen singen können – taten sie aber nicht, denn der Metal-Pfarrer sieht sich die Texte der Bands, die eingeladen werden, im Vorfeld an. «Es war wie ein reinigendes Gewitter...» hörte ich den Metal-Pfarrer zum Auftritt dieser Band sagen. Eine bemerkenswerte Aussage, die mir aufzeigte, dass es sehr wohl auch zum Black-Metal einen positiven Zugang gibt.

Was aber GANZ anders als bei meinen üblichen Metal-Konzertbesuchen war

Die Sänger und Bandmitglieder redeten zwischen den Musikstücken ganz anders. Es waren wohlwollende Worte, sie sprachen in natürlicher und authentischer Weise über Glauben und Gott. Keine Berührungsängste mit christlichen Symbolen waren zu sehen, sondern ein würdevoller Umgang – natürlich in Metal-Manier. Insbesondere der Auftritt von Pantokrator hat mich schwer beeindruckt. Diese Band traf meine Metal-Seele am tiefsten und brachte meinen Kopf in Headbang-Bewegung, ja es gab Momente da spürte ich den Segen, der von der Bühne aus zum Publikum ausstrahlte. Meine Arme streckten sich von selbst nach oben, um dieses Gute empfangend entgegenzunehmen.

Es geht also – Metal und christlicher Glaube

Was den Organisatoren und dem Verein Unblack hoch anzurechnen ist, ist die Tatsache, dass sie Metal-Bands, welche einen positiven Bezug zum Glauben, insbesondere zum Christentum, ausweisen, fördern und eine Auftrittsplattform bieten. Anstatt der Verteufelung dieses Musik-Genres findet eine Förderung jener Bands statt, zu deren Konzerte auch eine Kirchgemeinde einladen kann. Sie bieten dadurch christlichen Menschen, welche Gefallen an der Metal-Musik haben, die Möglichkeit, ihren Zugang zur Musik mit ihrer Glaubenswelt in Verbindung zu bringen. Und das hat unter anderem das Potenzial, neue Zugänge zu den Texten der Bibel zu schaffen.

Stichworte für weitere Überlegungen

Klage- und Fluch Psalmen, allgemein die kraftvollen Textbilder und Geschichten des Ersten Testamentes, die Facetten Jesu in den Evangelien, die provozierend, ja auch herausfordernd sind und dadurch die Ernsthaftigkeit seiner Botschaft unterstreichen, aber auch ausserhalb der Bibel kann durch diese Musik z. B. auf real existierendes Leid und Unrecht aufmerksam machen – ganz in Metal-Manier: Schonungslos die Emotionen und Situationen von Leid, Unrecht usw. darstellen, um sie aus der Dunkelheit, Unsichtbarkeit herauszuholen und dadurch fass- und veränderbar zu machen. Eben «Unblack»!

Was mich der Metal für meinen Glauben lehrt: Das, was diese Musik an Kraft und Emotionen ausdrückt als realen Bestandteil des Lebens und der Welt anzunehmen – sie nicht auszublenden oder aktiv zu verschleiern – sondern aktiv in sie hineinzutreten. «Ich bin da als der/die ich da sein werde» (E. Zenger) gilt auch hier. Dies ist eine positive Herausforderung an den Glauben.

Metal und katholisch – geht das?

Unbedingt! Ich bin aufgrund des Erlebnisses am Elements of Rock in der Überzeugung gestärkt, dass die kath. Kirche sich dem Vorbild vom Metal-Pfarrer Samuel Hug und dem Verein Unblack anschliessen soll, um ökumenisch das zu verwirklichen, was die Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Abschlussdokument der Vorsynode 2018 formulieren:

«Wir würden die Kirche gerne dort antreffen, wo sie bisher kaum oder gar nicht ist. Vor allem ist die Straße als Ort, wo die Menschen sind, der Platz, an dem wir der Kirche begegnen wollen. Die Kirche sollte neue kreative Wege finden, Menschen dort zu begegnen, wo sie sich wohlfühlen und sich spontan treffen: Bars, Cafés, Parks, Fitnessstudios, Stadien und andere beliebte Kulturzentren.»[1] Und war ein Metal-Fan unter den Beteiligten sagte/dachte er/sie sicher: «Und auch am Metal-Konzert!»

Meine nächste Eigenerfahrung darf ich im Rahmen des Greenfield Festivals mit«AnsprechBar» machen. Da verlasse ich die Beobachter Rolle und steige in die Rolle des Festivalseelsorgers ein. Gespannte Freude in mir! Ich bin überzeugt, auch dies sollte ein Tätigkeitsfeld der offenen kirchlichen Jugendarbeit sein.

 

[1] Abschlussdokument des Vorbereitungstreffens der Bischofssynode, Rom, 19.-24. März 2018, https://dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse_2018/2018-060a-Abschlussdokument-des-Vorbereitungstreffens-der-Bischofssynode.pdf  (Zugriff, 25. April 2018)

Metal und katholisch – geht das?

Katholisch und Heavy Metal – Das passt zusammen!

Viktor Diethelm ist Festivalseelsorger und Metal-Fan

TEASER: Böse Menschen, böse Lieder: Die Vorurteile gegenüber Heavy Metal und seinen Fans sind riesig. Zum Christentum scheint die Musik erst recht nicht zu passen. Doch das stimmt so nicht: Viktor Diethelm ist gläubiger Katholik, Metal-Fan und seit kurzem Festivalseelsorger. Im Interview räumt er mit Klischees auf.

Messerscharfe Gitarrenriffs, dröhnender Bass, hämmernde Drums und aggressive Vocals: Heavy Metal ist nicht unbedingt für zartbesaitete Menschen gemacht. Oft handeln die Liedtexte von Tod und Gewalt, üben heftige Kritik an Gesellschaft, Politik und vor allem der Religion. Hinzu kommt die Optik von Bands und Fans: Schwarze Kleidung mit extremen Motiven, Totenköpfe, die "Teufelszahl" 666 und bisweilen auch umgedrehte Kreuze gehören zu den Erkennungszeichen der Szene. Kann und darf man als Christ die Musik also gut finden?

Ja, sagt Viktor Diethelm. Der 44-jährige Luzerner ist beides: gläubiger Katholik und seit Kindertagen begeisterter Metal-Fan. Motörhead, Metallica und Slayer zählt er zu seinen Lieblingsbands. Nachdem er als Jugendlicher lange Ministrant und Pfarrjugendleiter war, studierte er Religionspädagogik, arbeitete als Gemeindekatechet und ist seit 2016 Leiter der Deutschschweizer Fachstelle für offene kirchliche Jugendarbeit. Am vergangenen Wochenende war Diethelm zudem als Teil eines ökumenischen Seelsorgerteams auf dem Rock- und Metal-Festival "Greenfield" im schweizerischen Interlaken im Einsatz. Was er dort erlebt hat und warum für ihn kein Widerspruch zwischen Religiosität und Metal besteht, sagt der gläubige Headbanger im Interview.

Frage: Herr Diethelm, Sie kommen gerade von Ihrem ersten Einsatz als Festivalseelsorger zurück. Hatten Sie mit dem kirchlichen Angebot unter den Rock- und Metal-Fans einen schweren Stand?

Diethelm: Immerhin wurden weder satanistische Symbole an unser Zelt gepinselt noch hat man uns leere Bierdosen an den Kopf geworfen. (lacht) Aber im Ernst: Ich habe vorab durchaus erwartet, dass uns ordentlich Häme entgegenschlagen könnte. Nach dem Motto: "Geht weg, was wollt ihr hier?" Das hatten wir aber überhaupt nicht. Natürlich gab es den einen oder anderen Fan, der lächelnd an unserem Zelt vorbeiging oder irritiert war von unserem Gesprächsangebot. Ansonsten haben wir unglaublich viele positive Rückmeldungen bekommen, die Leute kamen zu uns und haben gesagt: "Gut, dass ihr da seid. Gut, dass es so ein Angebot gibt."

Frage: Das heißt, Sie hatten gut zu tun? Mit welchen Anliegen kamen die Leute denn?

Diethelm: In der Tat gab es Einiges zu tun. Wir hatten an den vier Tagen über 300 Gespräche. Die dauerten mal nur fünf Minuten, mal über eine Stunde. So groß der Andrang war, so breit waren auch die Themen. Manche Fans wollten sich nur mal kurz in unserem Zelt ausruhen und haben etwas Smalltalk gemacht, manche kamen aber auch mit sehr ernsten Anliegen: Da ging es um zerbrochene Beziehungen, um Ängste vor der beruflichen Zukunft und auch um das Thema Tod. Ich habe zum Beispiel mit einem Mann gesprochen, der kurz zuvor seinen besten Freund verloren hatte. Das war ein sehr intensives, emotionales Gespräch.

Frage: Wollen die Leute auf einem Festival nicht eher ein paar Tage Spaß haben und ihre Probleme zu Hause lassen?

Diethelm: Man darf nicht vergessen, dass auf so einem Metal-Festival die Emotionen hochkochen: Freude, aber auch Wut oder Trauer. Die Musik an sich ist ja schon sehr emotionsgeladen und der nicht zu knappe Alkoholkonsum tut dann sein Übriges. Die eigenen Kumpels taugen für manche aber nicht als ernsthafte Gesprächspartner – da wird eher herumgeblödelt und es werden Sprüche gekloppt. Deshalb haben einige Leute das Bedürfnis, auch mal ein ernstes Gespräch zu führen mit jemand, der ihnen wirklich zuhört. Das wollten wir mit unserer "AnsprechBar" leisten.

Frage: Glauben Sie, dass Sie einen besseren Zugang zu den Metalheads finden, weil Sie selber Fan sind?

Diethelm: Das denke ich schon. Ich kenne die Metal-Kultur, ich verstehe die Leute und ich weiß, dass einer, der zum Fürchten aussieht, der netteste Kerl auf Erden sein kann. Gottseidank bestand unsere Seelsorgetruppe fast nur aus Metal-Fans. Wir haben alle Metal-Shirts getragen, das Zelt war klassisch in Schwarz gehalten und wir hatten Banner, auf denen Skelette mit Instrumenten in den Händen abgebildet waren. Die Ästhetik ist im Metal sehr wichtig, da haben wohl viele Fans gedacht: Die sind authentisch, die gehören zu uns, deren Angebot schauen wir uns mal an.

Frage: Inwiefern spielen Gott und die Kirche bei dem Angebot eine Rolle?

Diethelm: Ganz wichtig: Wir wollten auf dem Festival keinesfalls missionieren. Das hätten die Metalheads schnell durchschaut und die ganze Sache wäre ein Reinfall geworden. Es ging wirklich um das bloße Gesprächsangebot. Aber natürlich kam da auch Gott vor. Wenn es zum Bespiel um das Thema Trauer ging, habe ich gesagt, dass mich mein Glaube in solchen Zeiten trägt und ich überzeugt bin, die Verstorbenen eines Tages wiederzusehen. In solchen Gesprächen merkt man dann, dass wesentlich mehr Metal-Fans Interesse am Glauben haben oder sogar gläubig sind, als man denkt.

Frage: So wie Sie selber beides vereinen. Wie passen für Sie persönlich der katholische Glaube und Metal als brachiale Musikrichtung mit extremen Texten zusammen?

Diethelm: Als Jugendlicher und junger Erwachsener war ich da selbst in einem Zwiespalt. Lange habe ich in kirchlichen Kreisen verschwiegen, dass ich Metal-Fan bin. Ich dachte, das könnte nochmal negativ auf mich zurückfallen. Als ich dann einmal las, dass Benediktinerabt Notker Wolf auch gerne Rockmusik hört und AC/DC zu seinen Lieblingsbands zählt, hat mir das eine neue Sichtweise eröffnet. Beides passt durchaus zusammen. Ein Alice Cooper macht auf der Bühne seine Horrorshow und geht trotzdem jeden Sonntag in die Kirche. Der Sänger von Slayer singt über Tod und Verderben und ist trotzdem gläubiger Katholik. Metal ist zunächst ist in erster Linie Kunst und für die Fans ein Ventil, um Frust abzulassen. Natürlich singen die Bands bei dem brachialen Musikstil nicht über Hoppelhäschen auf der grünen Wiese, sondern da geht es auch in den Texten zur Sache. Das heißt aber nicht, dass sich die Bands und Fans unbedingt mit allen Textinhalten identifizieren. Jemand, der gerne Horrorfilme schaut, will auch nicht, dass im realen Leben Menschen umgebracht werden.

Frage: Dennoch sind zahlreiche Texte offen religionsfeindlich. Das ist also nie ernst gemeint?

Diethelm: Es ist richtig, dass da ordentlich Kritik kommt. Aber die richtet sich nicht unbedingt gegen den Glauben, gegen Gott an sich. Da geht es eher um Kritik daran, was die Menschen teilweise aus der Religion gemacht haben. Wenn Gott nur so verstanden wird, dass er eine Spaßbremse ist, keine Kraft in sich trägt, sondern einfach nur "lieb" ist, dann muss man ja fast gegen eine solche Botschaft sein, wenn man selbst jung ist, noch viel Power hat und Spaß im Leben haben will. Das ist auch etwas, was ich in meiner Glaubenswelt brauche: Ich brauche nicht nur einen lieben Gott, sondern einen, der auch mal schreien kann, und den ich im Gebet auch mal anklagen kann. Das ist ganz wichtig für mich. Wenn man mal genauer auf die Liedtexte im Metal schaut, findet man Kritik an der Religion und der Kirche, die durchaus berechtigt ist. Und ich bin überzeugt: Wer glaubt, fürchtet sich nicht vor solchen Dingen, sondern der setzt sich mit der Kritik ernsthaft auseinander und schaut, was eventuell wirklich schiefläuft.

Frage: Hat Metal Ihrer Meinung nach auch das Potenzial, in der Kirche, in der Liturgie eine Rolle zu spielen? Könnte das vielleicht sogar wieder mehr junge Menschen in die Kirchen bringen?

Diethelm: Also ich würde jetzt nicht unbedingt Heavy Metal in gewöhnliche Gemeindegottesdienste bringen. Da wären viele normale Messbesucher wohl eher schockiert. Die Kirche muss vielmehr dorthin gehen, wo die Menschen bereits in Gruppen zusammenkommen, und Anknüpfungspunkte finden in den unterschiedlichen Lebenswelten. Das schließt die Metal-Szene mit ein. In der Schweiz haben wir "Metalpfarrer" Samuel Hug, der das seit ein paar Jahren mit seiner "Metalchurch" macht: Da werden Gottesdienste in Kneipenatmosphäre gefeiert, da spielt eine Metalband christliche Lieder, da werden die liturgischen Antworten geschrien und wer möchte, kann sich sogar zwischendurch ein Bier holen. Hug hat damit einen Riesen-Erfolg. Er ist zwar lutherisch-reformiert, aber hier steckt auch viel Potenzial für die katholische Kirche, wieder in Kontakt mit den Menschen zu kommen. Nichts anderes haben wir ja jetzt auf dem Greenfield-Festival gemacht: Wir sind mit einem kirchlichen Angebot dorthin gegangen, wo die Menschen sind, und hatten damit Erfolg.

Frage: Sie sind jetzt über 30 Jahre Metal-Fan: Gibt es da ein Festival, das Sie auch privat gerne noch mal besuchen möchten?

Diethelm:(lacht) Ganz klar das Wacken Open Air in Deutschland! Das habe ich mir schon seit Ewigkeiten vorgenommen, aber konnte es zeitlich nie einrichten. Nun ja: Ich mache das wohl spätestens nach der Pensionierung. Metal-Fan bleibt man ja sein Leben lang.

Tobias Glenz (veröffentlicht auf katholisch.de)

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